01.12.1996   

Neujahrswunschkarte - älter als gedacht

Autor: Angelika Griebenow

Der alten Sitte der mündlichen Beglückwünschung beim Jahreswechsel folgte die Neujahrsgabe. Zu diesen Gaben gehört auch die Neijahrskarte, die häufig gleichzeitig auch den Charakter des Geschenkes trägt. In den romanischen Ländern hat das Neujahrsfest seine Bedeutung als Geschenktag behalten, in Westeuropa hingegen hat es seine Eigenschaft an das Weihnachtsfest abgetreten. Von den Trinkgeldspenden abgesehen, sind die Neujahrskarten die einzigen Geschenke, die anläßlich dieser Gelegenheit regelmäßig verteilt wurden und werden.
Dem Brauch, zu bestimmten Anlässen wie Neujahr, Geburts- oder Namenstag zu gratulieren, dient eine Fülle von Glückwunschkarten. Die heute üblichen, industriell gefertigten Druckerzeugnisse beruhen leider nur zum Teil auf künstlerisch guten Entwürfen. Deshalb läßt der Intimcharakter des Glückwunsches grafische Originalarbeiten für den Eigenbedarf des Künstlers (Gelegenheitsgrafik) immer neu entstehen. Die Gestaltung sezt sich immer aus mehreren Teilen, wie Bild, Farbe, Wortbegriffe oder Verse, zusammen.
Künstlerisch gestaltete Gegenstände als Träger von Neujahrswünschen lassen sich bereits bei den Ägyptern nachweisen. So fand man bei Ausgrabungen kostbare Vasen und Krüge, die vermutlich als Salbenbehälter dienten, mit poetischen Widmungsanschriften als Neujahrsgeschenke, wie zum Beispiel die Aufschrift: "Die Blume erschließt sich und siehe da, ein anderes Jahr" oder "Im neuenJahr sei das Glück dir Günstig" (Anno novo taustum felix tibi sot")
Als Schöpfung der bildenden Kunst werden Neujahrsglückwünsche dann erst wieder im 15. Jahrhundert erkennbar, als Sonderform des kleinen Andachtsbildes entwickeln sie sich in den Nonnenklöstern zunächst als Miniaturmalerei; die Gedenk- und Einlagebildchen vor allem in der Technik des Holz- und Kupferstichs. Das Motiv des Christkindes ist sehr prägnant, wie z.B. in Dürers Temoerablatt von 1493. Ein kurzer Wunschspruch oder ein paar fromme Verse begleiten die Darstellung. Eine der vermutlich frühesten Glückwunschkarten ist ein Kupferstich des Meisters E. S. von 1466. Abgebildet sehen wir den Christusknaben, mit einem Mantel begleitet, ein Spruchband enthält den Wunsch: "Ein guot selig jor".
Auch als Gattung gehen die gereimten Neujahrslieder und Neujahrswünsche bis ins frühe MIttelalter zurück, wo sie zunächst entweder persönlich vorgetragen oder durch einen Boten überbracht wurden. Zu Anfang des 16. Jahrhundets schenkte man sich gedruckte Neujahrslieder: "Dis liedl nim hin für ein gut Jar..." (1519). Den gedruckten Neujahrsliedern und den illustrierten Versdrucken entwuchsen die Neujahrswunschkarten.

Im 16. Jahrhundert waren die Neijahrskarten vorwiegend in Kalenderform. Für die Kalenderleisten benutzte man das Motiv des Liebesgartens, des Glück prophezeihenden Hahnes und des geschmückten Zweiges, um die Wünsche bildhaft zu machen.
In der Barockzeit entwickelte sich das sogenannte "Neujahrsblatt", ein plakatartiger Zimmerschmuck, der wie eine Art "Hausseegen" behandelt und an die Wand geheftet wurde.
Unter den Techniken, die zur Gestaltung von Glückwünschen verwandt wurden, sind Nadelstichbilder und Papierschnitte hervorzuheben. Deren Blüte lag zwischen dem ausgehenden 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts.
Diesen im wesentlichen graphisch gestalteten Glückwünschen stehen Volkskunstäußerungen zur Seite, in Form von Sinnbildern geformte Dinge. Weitverbreitete Formen des Glückwunsches sind an Glück verheißende und Übel abwherende Zeichen gebunden. Glückszeichen sind oft an volkstümlichen Vorstellungen vom glücksverheißenden Finden und Begegnen gebunden, wie z.B. der Glücksklee, der Glückspilz, das Glücksschwein, das Hufeisen, der Schornsteinfeger u.a. Diese bereichern einerseits den Motivschatz der Glückwunschartikel, andererseits tragen sie zur Bereicherung des Bildinhalts schlichter Gestaltungen bei.
Seit der Wende des 17./18. Jahrhunderts wurden auch sogenannte "Quodlibets" als Neujahrsgeschenke benutzt. Darunter sind Kupfersitche, die scheinbar regellose Zusammenstellung der verschiedenartigsten Blätter, Plakate, Zeitungen etc., zu verstehen. Die verschiedensten Motive liegen derart übereinander, daß sie eine Augentäuschung hervorrufen.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich die Sparte der "Zugkarte" in Form der Faltfächerkarte, der Drehscheibenkarte, der Spiralkarte und der Hebekzugkarte.
Neben diesen raffinierten Erzeugnissen der Papierindustrie gab es auch die einfache Glückwunschkarte mit selbstgeschriebenen Wünschen, die auch Kinder ihren Eltern und Paten zum Jahreswechsel überreichten.
Sehr bemerkenswert erscheint, daß bereits Ende des 18. Jahrhunderts in Berlin "satyrische" Glückwünsche in Gebrauch waren. Bei diesen wurde der Empfänger mit Hilfe des Glückwunsches mehr oder minder harmlos verulkt.
Der verbreitete Brauch des "Glückwünschens" war eine ursprünglich im Magischen wurzelnde Handlung. Denkt man nur an das Gegenteil, das "Unglück wünschen", das im Aberglauben noch stark im zauberischen Sinne empfunden wird. Da das neue Lebensjahr möglichst sofort bei seinem Anbruch durch einen guten Anfang gesegnet werden sollte, wurden die Glückwünsche an die nächsten Angehörigen gleich früh morgens oder bereits kurz nach Mitternacht dargebracht und auch die schriftlichen Gratulationen wurden pünktlich abgeschickt.

Literatur:
Spanner, A. Das kleine Andachtsbild vom XIV. bis XX Jahrhundert, München 1930
Boehm,F., Geburtstag und Namenstag im deutschen Volksbrauch, Berlin und Leipzig 1938
Zur Westen, Walter v., Vom Kunstgewand der Höflichkeit, Berlin 1921
Lexikon der Kunst, VEB E.A. Seemann Verlag Leipzig, 1968

 
Anlage 1 herunterladen...
Zurück zur Übersicht...