31.01.2013   

Gerhard Goschin - Milchprüfer - erinnert sich

Autor: Karl - Heinz Schwoch, nach Erinnerungen von Gerhard Goschin

In diesem Beitrag möchte ich für die jetzige Zeit auf eine damals notwendige Tätigkeit aufmerksam machen.
Bereits vor 1945 gab es in Deutschland Herdbuchtierhaltung. Mit Ende des 2. Weltkrieges gab es bei den Bauern nur noch wenige Rinder und Schweine. Die vorhandenen Tiere waren keine Leistungstiere. Es war daher dringend geboten, zu einer Herdbuchtierhaltung zurück zu finden. Es musste eine Auslese in den vorhandenen, immer noch wenigen Rindern und Schweinen, getroffen werden. Die Michprüfung war eine unentbehrliche Vorstufe zur Schaffung on Zuchttieren. Schritte dazu waren die Leistungsnachweise der einzelnen Kühe und Schweine. Bei den Sauen ging es um die Ferkelmenge.
Milchprüfer wurden eingestellt, ausgebildet und weiter qualifiziert. Diese eingesetzten Michprüfer fanden recht schwierige Arbeitsbedingungen vor. Das Motto gute Milchleistung, gute Fettprozente war bestimmend für die Zucht.
Im September/Oktober 1951 begann man in unserem Kreis mit dieser Tätigkeit. „Ich war von Beginn an dabei“ sagt Gerhard Goschin. Die damalige BHG – Bäuerliche Handelsgenossenschaft - war Träger und bei ihr liefen die ersten Ergebnisse zusammen. Später wechselten die Unterstellungsverhältnisse, so war Potsdam und Frankfurt/Oder zeitweilig zuständig. Etwa 1952 begann eine ordentliche Buchführung in der Tierhaltung. Es wurden Lehrgänge und Qualifizierungen der Milchprüfer aber auch schon einiger Melker organisiert. 1953 wurde erreicht, dass die Tierhalter, überwiegend Bauern und Siedler, Stallbücher führten. In diesen Büchern wurden die Milchleistungen ihrer Kühe eingeschrieben. Auch der Fettgehalt der Milch war bedeutend. Der Fettgehalt wurde anfänglich durch die Michprüfer und später durch die Molkerei Wriezen bestimmt. Hierfür gab es Labore mit der erforderlichen Ausstattung. In den Anfangsjahren der Arbeit glaubten einige Bauern, es ging bei der Milchprüfung nur um die Michqualität, sozusagen als eine Überwachung. Es gab damals Fälle der Milchpanscherei. Ein Gewinn entstand aber für den Michpanscher nicht, denn der Fettgehalt der Milch wurde dadurch geringer und somit auch die Bezahlung.
Mit den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) wurden Stallkarten und Stallbücher durch die Tierpfleger geführt. 1982 bis 1984 erfolgte die Umstellung der unterschiedlichen Nachweise auf EDV, es wurden aber immer noch nebenher Karteikarten und Listen geführt. Die Kennzeichnung der Tiere war eine wesentliche Voraussetzung für eine exakte Buchführung. Bei den Bauern und Siedlern hatten die Kühe Namen. Es folgte dann ein Nummernsystem und später erhielt jedes Tier eine Ohrmarke.
In dieser Zeit gab es eine staatliche Tierzuchtorganisation. Es wurden nun auch Zuchtsauen erfasst. Hier ging es um artengerechte Nachzucht und um Ferkelmengen bei den Zuchtsauen. Die tierärztliche Betreuung war stets garantiert, nicht nur wenn es Erkrankung von Tieren gab sondern auch eine gewisse vorbeugende Untersuchung fand statt.
Ein Milchprüfer war meistens für einige Dörfer zuständig. Ein Fahrrad war das gängige Verkehrsmittel. Die Tour ging meistens um 4 Uhr morgens los. Wetterprobleme waren an der Tagesordnung. Der Verdienst eines Milchprüfers, so bei Gerhard Goschin war zum Anfang 230.00 Mark, plus 30.00 Mark Stadtzulage. Es gab Ende der 60ziger Jahre eine Erhöhung auf 420,00 Mark. Um Mitte 1980 gab es ca. 600.00 M. monatlich ausgezahlt.

Milchrampe (nicht in Altranft) Abführ der Milchkannen zur Molkerei (nicht in Altranft)

Die LPG entwickelten sich zu leistungsstarken Großbetrieben. Die Mechanisierung der Rinderställe brachten viele Veränderungen im Arbeitsprozess der Tierpfleger und auch für uns als Milchprüfer. Es war das Schichtmelken notwendig. Die Milchprüfer mussten nun die einzelne Tierleistung entsprechend dem Melkrhytmus prüfen. Jede Kuh wurde 30 Tage geprüft. Die Prüfung erfolgte dann wieder nach 4 Wochen. Mit dieser gewissenhaften Prüfung war es möglich, die besten Tiere für die Nachzucht herauszufinden. Es gab in Gerhard Goschins Dienstzeit auch einige Fälle von keimbelasteter Milch. Der zuständige Tierarzt wurde verständig. Er legte tiermedizinische Maßnahmen fest. Diese Milch von belasteten Kühen wurde dann nur für Futterzwecke verwendet. Mit den Ergebnissen wurde auch die Zuchtbullenhaltung beeinflusst. Die Besamung der Kühe erfolgte mit den Samen ausgewiesener Zuchtbullen. „Durch unsere Arbeit trugen wir dazu bei, dass ein guter leistungsfähiger und auch gesunder Tierbestand vorhanden war.“
Eine gute gesunde Rassekuh sollte ca. 10 Jahre eingestallt bleiben. Die Milchprüfer rechneten die Altersjahre in Monate um. 10 Jahre = 120 Monate. In den ersten Jahren der LPG kam man noch oft an diese Grenze heran. Später wurde immer häufiger diese Haltungsdauer unterschritten. Es waren oft ökonomische Gründe. Zu schnell wurden Kühe als Schlachttiere abgegeben. 4 bis 3 Jahre alte Kühe wurden aussortiert. Diese schnelle Rotation schwächte das Gesamtergebnis einer Tierhaltung. Man bedenke, dass eine Kuh wenigstens 3 Jahre Mich geben muss, um die Haltung rentabel zu haben und die Kosten zu decken. Ein Nachkauf oder eigene Aufzucht war teuer. Ein nachhaltiger Gewinn war nur möglich, wenn die Kühe 6 bis 8 Jahre Milch geben. Für einen Leihen ist diese Tätigkeit eines Michprüfers schwer verständlich. Auch die Milchprüfer sahen den Erfolg ihrer Arbeit erst nach einigen Jahren. Schritt für Schritt und das über viele Jahre wurden die besten Kühe und Bullen herausgefunden und somit dazu beigetragen, dass leistungsstarke Kühe zu züchten.
Soweit einige Darlegungen zu dieser doch eher seltenen Tätigkeit als Milchprüfer. Um 1990 habe ich diese Tätigkeit beendet. „Ich habe noch in einigen LPG und landwirtschaftlichen Betrieben meine Kenntnisse weitergegeben.“ Heute gehen die Prüfergebnisse, sie werden immer noch erhoben, über PC-Rechner an zentrale Erfassungsstellen, so zum Beispiel nach Waldsieversdorf.
Noch einige Gedanken zum Milchfluss. Nach 1945 wurde jeder Kuhhalter mit einem Milchsoll belegt. Es gab eine dörfliche Erfassungs-Sammelstelle in der Alten Heerstraße, ehemals Lange. Herr Kienitz war der Inhaber. Hier wurde die abzuliefernde Milch gesammelt. Es wurden auch Kleinstmengen angenommen. „Ich erinnere mich, dass mangels einer Michkanne „Gasmaskenbehälter“ als Ersatzkanne benutzt wurden.“ Später wurden sogenannte Milchrampen aufgestellt. Hier ein ähnlicher Ablauf. Jahrelang stand so eine Milchrampe auf den Dorfplatz, an der Linde, vor dem Schlosseingang. Die dort in 20 Literkannen abgestellte Milch wurde von den schon genannten Fuhrunternehmer Golme zur Molkerei nach Wriezen gefahren.
Die kommunale Viehzählung der damaligen Jahre hatte mit der Milchprüfung nichts zu tun. Heute sind die Milchviehanlagen, mit modernen Melkanlagen ausgestattet. Die Milch fließt über ein Leitungssystem in ein zentrales Milchbecken und wurde dann durch den Milchtransporter- große Kesselwagen - abgepumpt.

Nachbau einer Milchrampe von Dirk Wurl für Altranft (leider mit historischen Fehlern) Beispielfoto einer historischen Milchrampe

Die Erinnerungen von Gerhard Goschin habe ich im Januar 2013 aufgeschrieben.
Die Arbeit als Milchprüfer, wie sie Herr Goschin leistete, wird es so nicht wieder geben.


(Anmerkung: Die Fotos stammen nicht aus Altranft. Die Altranfter Milchrampen waren aus Holz. Das gezeigte Fuhrunternehmen stammt aus der Schweiz)

 
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