25.11.2015   

Auszüge aus den Erinnerungen meines Lebens

Autor: Horst Teutschebein

Ich, Horst Teutschebein, wurde am 01.Juli 1937 in der Landesfrauenklinik zu Stettin geboren, wohnte dann fast 4 Jahre auf dem Gut meines Vaters in Kolew bei Stettin.
Aus gesundheitlichen Gründen des Großvaters übernahm mein Vater dessen Gut in Neubarnimslow, wohin unsere Familie 1941 zog.
Im Gutsschloß änderte sich das Familienleben, wir vier Kinder erhielten je ein Kindermädchen und hatten nur noch wenig Kontakt zu den Eltern.
Mein Kindermädchen hieß Ursel und war eine Französin. Ihr Durchsetzungsvermögen gegenüber den Herrschaften schützte mich vor so manch einer Ohrfeige und mir brachte sie Malen, Basteln und vieles andere bei.
Ich war damals schon abenteuerlustig, wollte alles erforschen. Mit 4 Jahren, im September 1941, beobachtete ich, wie der Schmied eine lange Leiter in eine Birnbaumkrone stellte und Birnen pflückte. Er ging zur Mittagspause und ich bestieg die Leiter bis in die Krone. Ich wurde zum Essen gesucht, meine Ursel entdeckte mich und balancierte mit mir nach unten.
Zum 5. Geburtstag bekam ich ein Panjepferd als Geschenk, damit konnte ich über die Flure reiten. Beim Schäfer lernte ich Pfeifen, Drachen und vieles mehr bauen.
1944 mussten wir in die oberen Etagen ziehen, weil unten ein Lazarett der Waffen-SS eingerichtet wurde. Die Scheunen wurden Gefangenenlager. Ich erlebte viele Bombenangriffe. Gegen Ende des Winters 1945 riet uns der leitende Arzt, die Flucht anzutreten. Das Lazarett wurde schon geräumt.
Wir begannen mit Kutschen und Ackerwagen die Flucht, wurden aber von der Waffen-SS nach 2 Kilometern in Barnimslow gestoppt. Die Kutschen wurden uns abgenommen und wir wegen Feigheit vor dem Feind an die Friedhofsmauer gestellt. In der folgenden Nacht haute die SS ab und danach setzten auch wir die Flucht fort, die schrecklich war. Wenn nicht sofort vor nahenden Militärfluchtkolonnen die Straße freigemacht wurde, wurde der Kutscher erschossen und der Wagen mit Pferden und Menschen die Böschung hinuntergestürzt.
Unser Fluchtziel war die Gemeinde Gnutz im Kreis Rendsburg. Wir zogen in zwei Pferdeknecht - Kammern. Die Schule war geschlossen. Auf dem Schulhof wurden Uniformen, Waffen, Schutzmasken und anderes gelagert.
Einen Tag werde ich nie vergessen. Wir, ca. 15 Jungen zogen uns Uniformjacken an und marschierten in unserem Soldatenspiel die Straße Richtung Nachbardorf entlang und sangen das Lied:

    „ Seht ihr die weißen Möwen, sie ziehen übers Meer
    Und unsere schweren Bomber fliegen hinterher.
    Ach liebes Madel reich mir die Hand
    denn wir fliegen gegen Engeland.“
Wir hörten plötzlich Panzergeräusche, „Heil Hitler“ rufend, rannten wir diesen entgegen. Einer rief erschrocken: „ das sind nicht unsere, das sind Engländer“. Wir von der Straße runter ins Heidekraut. Die Panzer und Panzerspähfahrzeuge verfolgten uns und fingen uns ein. Die Engländer setzten uns vorn auf die Panzer und steckten uns so viel Blockschokolade in den Mund, dass wir nicht mehr schreien konnten. Wie die anderen Kinder musste auch ich den Weg des Panzers zu unserem neuen zu Hause zeigen. Ich musste alle Türen weit öffnen und sagen, dass sich drinnen kein Mann befindet. Die Engländer zeigten sich als sehr freundlich und versorgten uns mit Konservendosen, Keksen und Schokolade. Die Engländer wollten das Marinearsenal bei Neumünster sprengen, gaben es vorher auf Bitten der Bevölkerung für drei Tage zur Plünderung frei. Mein Bruder Dieter, der Bauernsohn Klaus und ich nahmen uns einen großen Handwagen, um auch etwas aus dem Arsenal zu holen. Der Andrang war zu gefährlich für uns. Aus den Fenstern bis zur 3. Etage wurden Stoffbündel, Bekleidung und Kisten geworfen. Wir hatten Futterseide, Stoffe, Schals, Handschuhe, Zirkelkästen, „Luftballons“ und vieles andere geladen.
Zu Hause bekam ich Dresche, weil ich der Anführer nach Neumünster war. Dann wurden die Sachen geteilt und die Bäuerin gab ein Abendbrot.
Die Luftballons versteckte ich, es waren die ersten, die ich jemals sah. Ich hatte eine Idee: ich baute zwei Drachen, einen quadratischen und einen Spitzdrachen. Eine Tausendmeterrolle Segelzwirn aus dem Arsenal war für das Steigenlassen wunderbar geeignet. Statt Papier für Ohren und Schwanz haben wir Kinder die Luftballons aufgeblasen und an den beiden Drachen befestigt. Die Drachen stiegen hoch in die Luft und der Spaß lockte nicht nur Kinder und Erwachsene an, auch meine Mutter. Sie schlug mich zusammen und vernichtete die schönen Fluggeräte. Erst Jahre später erfuhr ich, wozu die „ Luftballons“ eigentlich benutzt werden.
Anfang 1947 äußerten Engländer, die von Polen besetzten Gebiete östlich der Oder gemeinsam mit Deutschland zurück zu erobern.
Vater, aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, fand Arbeit in einer Schuhfabrik. Er wurde von Mutter verstoßen, weil er kein Gutsbesitzer mehr war. Mutter gab dem aus der englischen Internierung geflohenen Paul Patzek Unterschlupf und er nahm uns kurzer Hand mit in sein Heimatdorf Neubarnim. Reiseunterbrechung in Berlin. Wir übernachteten im katholischen Hedwigsheim. In der Nacht wurden wir überfallen, uns blieb nur noch die Bekleidung am Körper. Ein herbei gerufener Polizist sagte nur: „ Trauern sie nicht über tote Gegenstände, gestern wurden hier zwei Personen erschossen“. In Neubarnim angekommen, ging ich erst mit meiner dreijährigen Schwester etwas Essen zu erbetteln.
4 Tage ging ich in die Schule, plötzlich bimmelte draußen eine Glocke. Der Lehrer öffnete das Fenster, hörte den Ausbimmler mit dem Fahrrad rasend „Hochwasser“ rufen. Schule aus, wir rannten nach Hause. Nach etwa 100 Metern überquerten wir die Brücke des Hauptgrabens. Das Wasser floss nicht nach Wriezen, sondern kam rauschend von dort. Ich hatte noch ca. 1,5 km zu rennen. Unzählbare Tiere wie Ratten, Mäuse, Hasen, Füchse und Haustiere überquerten rasend meinen Weg.
Das Wasser holte mich ein, in der Dorfstraße 5 ging es mir schon bis an die Knie. Das Grundstück meiner neuen Großeltern grenzte am Plantagenzaun der Gärtnerei. Dort stauten und stapelten sich Holz und alles was schwimmen konnte. In den Zimmern stieg das Wasser nur auf 10 cm. Mit Balken und Brettern machten wir alles begehbar. In den Räumen sah es aus, wie in einem Zoo. Angegriffen wurden wir nur von den Ratten. Ich nahm Stiele und Knüppel, schlug ans Ende viele Nägel ein und wir nutzten diese als wirksame Verteidigungsmittel.
Mein neuer Großvater und ich brachten Kanthölzer zur Stabilisierung der Schweinemolle an. Pfingstsamstag brachen wir mit diesem Gefährt Richtung Zuckerfabrik Thöringswerder auf. Unterwegs überraschte uns ein gewaltiger Sturm. Die Wellen schossen das „Boot“ mit uns Kobolz. Wir hielten uns an den Kanthölzer fest, ich kämpfte um mein Leben. Das eiskalte Wasser spürte ich nicht mehr. Immer wieder rief der Großvater: „Jungla, du darfst nicht aufhören zu zappeln und wir werden rufen, lachen und singen- bis der Sturm nachlässt!“ An unserem Eigenbau festgeklammert, wurde ich in einer Tür ins Wasser gestuckt und wieder hochgerissen. Plötzlich knackte etwas und schleuderte mich zur Seite. Ich bekam einen Schlag gegen den Kopf. Meine verkrampften Finger lösten sich vom Kantholz und ich schlug mit den Händen nach allen Seiten auf, um mich irgendwo am Boot festhalten zu können. So ertastete ich einen starken Balken, der mit einem Barackenteil verbunden war. Wir trieben an einen Hausgiebel und stiegen durch das Bodenfenster ein. Am Vormittag des Pfingstsonntags ließ der Sturm nach, wir konnten uns wieder orientieren und ruderten auf dem Barackenteil nach Hause.
Im September ging es wieder zur Schule. Das Hochwasser war weitgehend zurückgegangen. In Begleitung einer Klassenkameradin ging ich über die Felder, in der Hoffnung, etwas Essbares zu finden. In einer Rohrlache sah ich einen toten Fisch. Bekleidet mit einem Trikothemd und einer Turnhose begab ich mich in den Schlamm und wühlte in auf. Hechte mittlerer Größe japsten nach Luft. Ich schnappte sie mit den Händen und warf sie kopfüber ans Ufer. Ich schnitt zwei Weidenruten zurecht und gemeinsam spießten wir die Hechte auf, für jeden 4 Stück. Zu Hause angekommen, wurde ich von meiner Mutter wegen meines verdreckten Körpers zusammengeschlagen. Ich rannte Richtung Hofpumpe, gefolgt von meiner dreijährigen Schwester. Die neue Großmutter packte meine Schwester und mich, zog uns in die Waschküche und bereitete für die Großeltern und uns beide ein schönes Abendessen.
Im Winter holten wir 3 Raummeter Holz aus Altfriedland. Erst 11 Jahre alt musste ich alles allein zersägen und hacken. Beim Holzhacken bekam ich so einen Schlag in den Rücken, dass ich mich mit dem Beil in der Hand überschlug. Ich vernahm die Stimme meines Stiefvaters: „ ein Linkspot, wenn man so etwas schon sieht!“ Mein Großvater stürzte aus dem Schweinestall und jagte ihm eine Vierzinkenforke in den Hintern. Seine Worte: „Der Jungla ist geschickt und fleißig, aber du bist nur ein Säufer und Schläger!“
Höhepunkte 1951 waren die Konfirmation und der Schulabschluss. Ich wollte Flugzeuge bauen- in Deutschland verboten. Versuche in den Schiffswerften erfolglos.
Nur um einen Beruf zu haben, lernte ich Lebensmittelkonservierer. Wegen der Kaderprobleme wurde ich schon als Facharbeiter Produktionsleiter in der Konservenfabrik Seelow.
1954 wurde ich an die Fachschule Gerwisch delegiert, um den Konservenmeisterbrief zu machen.
Die KVP( kasernierte Volkspolizei) wurde aufgebaut. Alle im angemessenen Alter sollten sich freiwillig zum Dienst melden. Wir erklärten, zuerst das Studium abschließen zu wollen. Antwort des Schuldirektors: „Wenn sie nicht bereit sind, sofort etwas für die Landesverteidigung zu tun, haben wir kein Interesse, sie weiter auszubilden!“
Am 3. Mai 1955 wurden wir eingezogen. 38 Mann kamen nach Eggesin, der 39. und ich als 40. zur Fliegerei nach Bautzen.
3 Monate Grundausbildung und einen Monat Flugplatzpionierausbildung waren angesagt. Einige ausgewählte, darunter Siegmund Jähn und ich mussten jede Woche einen Tag nach Cottbus zur FMK. Später erfuhr ich, dass es flugmedizinische Kontrolle heißt. Dann ging es nach Kamenz zur Ausbildung an der Jak 18 und der Jak 11. Die MIG 15 kam wieder in Bautzen ran.
1958 türmte mein Bruder, damit war für mich die Fliegerei zu Ende. Kommandiert nach Erfurt wurde ich zum Küchenleiter der NVA qualifiziert und übernahm dann die Pilotenküche in Bautzen.
Anfang Mai 1958 beendete ich den Dienst bei der NVA und wurde in der Konservenfabrik Seelow als Betriebsleiter eingesetzt.
Gegen Ende 1959 wurde unter Leitung des Ministers für Handel und Versorgung der DDR ein Dispatcherapparat gegründet, in dem auch ich eingeordnet wurde. Mein Dienstausweis hatte das Siegel: Deutsche Demokratische Republik-Dispatcher, sowie Dienstnummer. Mein Auftrag lautete, in Bereichen der Industrie, der Land-und Nahrungsgüterwirtschaft sowie im Handel- und Gaststättenwesen Missstände aufzudecken und zu beseitigen. Jeder von uns Mitarbeitern hatte das Recht der unmittelbaren Weisung.
Nur zwei Beispiele meiner Arbeit:
  • Ich kontrollierte die Lagerhallen der Zuckerfabrik Voßberg, ob diese für die Erntegetreideaufnahme bereit sind. Ein Arbeiter schimpfte, dass die Kornkäfer schon auf dem Fabrikgelände rumlaufen. Meine Feststellungen: 5000 Tonnen Reis waren dort eingelagert, übersät mit Kornkäfern. Meine Dokumentenkontrollen beim Handelskontor Berlin wiesen in den Östlichen Zuckerfabriken insgesamt 30.000 Tonnen Reis aus, die zur Herstellung von Babynahrung und zur Versorgung der Bevölkerung fehlten. Stapelbegasung, Reinigung und Auslieferung wurden sofort veranlasst.
  • Nach einem Tanzabend in Wriezen wartete ich in der Bahnhofsgaststätte auf meinen Zug. Ein mir bekannter Lokführer beschwerte sich über geronnene Sahne in seinem Kaffee. Ich bat die Serviererin um Ersatz mit einwandfreier Sahne. Ihre Antwort: „Wir haben keine Sahne, nach Anordnung des Küchenleiters dürfen wir nur Magermilch in den Kaffee tun.“ In der Küche roch es eigenartig. Ich sah zwei 30-Literbehälter auf dem Heizkörper stehen, in denen sich außer Brühe alte Knochen, schmutzige Eierschalen, Margarinepapier u.a. befanden. Die Brühe wurde an die Reisenden ausgeschenkt und für die Bratensoße genutzt. Laborergebnisse der Hygieneinspektion: „Mikroorganismen so viele, wie sie eigentlich nur im Labor werden.“ Das Übrige tat der Staatsanwalt.
Dieses Arbeitsorgan wurde mit der Bildung der ABI (Arbeiter-und Bauerninspektion) aufgelöst.
Meine Arbeit setzte sich fort in den Räten der Kreise Seelow, Burg bei Magdeburg, Bad Freienwalde und beim Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder. Dazwischen besuchte ich Verwaltungsschulen, Gewerkschaftsschule, Parteischulen und studierte Staatswissenschaften mit dem Ergebnis „Diplom-Staatswissenschaftler“. Im Bereich des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes zu arbeiten, machte mir keinen Spaß. Jeder hatte einen Dienstwagen, nur ich musste die öffentlichen Verkehrsmittel zur Erfüllung meiner operativen Tätigkeit nutzen. Als ich gefragt wurde, was ich mir zu meinem 50. Geburtstag wünsche, antwortete ich: „ Nur den Trabant, den ich bereits vor 12 Jahren angemeldet habe.“ Man schenkte mir eine Gartenbank. Meine Kollegen jedoch bekamen alle paar Jahre einen Abholschein, ohne überhaupt ein Fahrzeug angemeldet zu haben. Ähnlich war es mit den Ferienplätzen, denn ich war zu kurze Zeit beim Rat des Bezirkes. Nach zwei Jahren hatte ich die Nase voll und legte den Dienstausweis auf den Tisch mit der Bemerkung, bereits seit 1960 im Staatsapparat tätig zu sein. Dann klappte es.
Im 1. Quartal 1989 erhielt ich den Auftrag, im Kreisbaubetrieb Bad Freienwalde durchzusetzen, dass die Arbeitsproduktivität um 15% erhöht wird. Ich fand Baustellen und Arbeitsplätze vor, auf denen sich nichts bewegte. Ursache war ein Verbot an die Sand- und Kiesgruben, Ware an die örtlich geleiteten Baubetriebe auszuliefern. Die Leiter unterstrichen, die Arbeitsproduktivität um 30% zu erhöhen, wenn Sand und Kies zur Verfügung stände. Mein Arbeitsbericht entsprach exakt den Kontrollergebnissen. Nach Auswertung des Berichtes wurde mir vorgehalten, vom Staatsfeind infiziert zu sein. Die angekündigte Verdienstmedaille zum 1. Mai wird zurückgezogen, sagte man mir. Ich zückte den Dienstausweis noch einmal und legte das Parteibuch dazu. An den Wasserspielen in Frankfurt/O. vorbei ging ich in ein Café und bestellte Kaffee und Kuchen. Mein Gedanke: „Werde ich in dieser Gegend noch Arbeit bekommen?“ Ein Mann fragte, ob noch zwei Plätze am Tisch frei sind. Mit hängendem Kopf sagte ich „ ja“. Er bemerkte. „ Horst, warum siehst du mich überhaupt nicht an?“ Ich sah hoch, es war mein alter Freund Günter List. Er hörte sich meine Probleme an und meinte: „Du hast doch Lagerung und Verarbeitung von Obst und Gemüse gelernt. Das passt prima, morgen übernimmst du den Freienwalder OGS-Betrieb!“
Meine Frage: „Ohne Parteibuch?“
Seine Antwort: „Das lasse mal meine Sorge sein.“
Ich arbeitete mich schnell ein, da kam die Wende.
Am 1.Juli 1990 plünderte die Kohlregierung unser Bankkonto (über 300.000 Mark). Außer Beeskow und Bad Freienwalde fielen alle Betriebe des Bezirkes in den Konkurs.
Meine Unterhaltung mit einem Westberliner Großhändler trug Früchte. Kredit aufnehmen, Marktzelte kaufen, Arbeitsplätze modernisieren, Planstellen abbauen und Bürokräfte an die Basis. Nach einem guten Jahr entwickelte sich das Bankkonto 75.000 DM Kreditschulden auf 204.000 DM plus.
Dann der nächste Schock. Die Treuhandanstalt forderte den Ausverkauf und die Übergabe des Betriebes nach drei Monaten. Ich bereitete eine Fusion mit dem Industrie- und Handelskonsortium Schweinle in Neckarsulm vor, um den Versorgungseinfluß in Ostberlin stark auszubauen. Es fehlte nur noch die Unterschrift des Freienwalder Bürgermeisters. Der Bürgermeister lehnte ab. Die Unternehmer Schweinle fragten den Bürgermeister, ob er es nicht nötig hat, jährlich mehr als eine Million DM zusätzlich als Steuermittel einzunehmen?
Es blieb bei der Ablehnung und der Betrieb wurde geschlossen.
Ich wurde arbeitslos.
Im April 1991 entdeckte ich in Berlin-Lichtenberg ein Plakat der Relectronic-Remech GmbH München mit dem Hinweis, Arbeitskräfte einzustellen und bewarb mich sofort. Der Niederlassungsleiter legte dar, dass es um die Wiederherstellung technischer Systeme geht und ich wäre einerseits überqualifiziert und andererseits ohne handwerkliche Abschlüsse. Mit den Bemerkungen, dass mir sechs Monate Einarbeitungszeit zustehen und ich bei Überforderung selbst kündigen werde, setzte ich mich durch. Der Anfang war sehr schwer. Ich stahl mit Augen und Ohren.
Sehr wichtig war jedoch auch, sich auf die Arbeitszeit einzustellen. Täglich 12 Stunden Arbeit, 6 Wochen lang, ohne einen freien Tag.
Nach ca. 3 Wochen Großbrand in der ND-Druckerei in Berlin. Zwei ehemalige Endmonteure vom Kranbau, einer von Telecom und ich wurden zur Demontage einer Bandstraße eingesetzt. Da konnte ich viel lernen. In Abständen flüsterten sie mir zu: „Merkst du denn gar nicht, dass du laufend beobachtet wirst?“ Ich verneinte und meinte, dass er mich schon ansprechen wird, wenn er etwas von mir will. Ein Glück, dass keiner mein Herz schlagen hörte.
In der Mittagspause auf der Treppe zur Kantine packte mich jemand an der Schulter und sagte: „Teutschebein, iss mal schnell, dann fährst du mit meinem Passat zum Flughafen Tegel und kaufst 6 Tickets nach Südfrankreich. Fünf Mann suche ich dir noch raus. Nach meiner Frage, wer er sei, antwortete er, dass man ihn Capo nennt und die Großeinsätze im Ausland leitet. Unter den 1500 Mitarbeitern sucht er sich die Auslandskader selbst aus. Anbei nur, er beherrschte 8 Fremdsprachen.In Rodez wurde in einer Halle des Boschwerkes für die vollautomatische Glühkerzenproduktion widerrechtlich eine nicht ganz verschlossene Säureflasche abgestellt. Innerhalb weniger Stunden wurden die Isolierungen aller elektrischen Leitungen und die tausenden Funktionskabel der drei Roboterstraßen zerstört. Mit den 5 Mitarbeitern sollte ich die Einsatzbereitschaft für weitere 60 Mechaniker und Elektroniker vorbereiten. Auf die von mir ausgesprochenen Zweifel antwortete er: „Erfahrungen in der Arbeit mit den Menschen, Ehrgeiz, Gewissenhaftigkeit, Qualitätsbewußtsein und Strebsamkeit zeichnen sie aus. Sie werden in Kürze nach Frankfurt am Main versetzt werden und vorrangig mit der Medizintechnik, der Flughafentechnik und mit den Chemiewerken zu tun haben. Sie haben nur ein Jahr Zeit, um sich zum Einsatzleiter zu qualifizieren.“
Die Auslandseinsätze dauerten bis zu drei Monaten mit täglich 12 Stunden Arbeit. Alles wurde von mir erfüllt. Als Einziger aus einer Niederlassung arbeitete ich sogar in der Arbeitsgruppe der Zentrale zu Erarbeitung des Programms Windof 7001 mit. Das Logistikkonzept wurde von mir allein erarbeitet. Am 1. Juli 2001 wurde ich feierlich aus dem Berufsleben verabschiedet. Man übergab mir eine Ehrenurkunde und 1000 Euro. Zum Schluss überreichte mir der Personalleiter einen neuen Arbeitsvertrag für drei Jahre.
Nach eineinhalb Jahren beendete ich mein Berufsleben.
Es erfolgte mein Umzug nach Altranft. Meine Muttererde auf dem erworbenen Grundstück wurde gestohlen. 120 Kubikmeter Erde musste ich mir kaufen. Den gesamten Innenausbau des Hauses und die Gestaltung der Außenanlagen erledigte ich selbst.
Ich kann mit Stolz sagen, dass ich trotz vieler Probleme alle meine Zielstellungen gemeistert habe. Meine Grundlagen dafür waren wohl Willenskraft, Mut, Konsequenz und Ehrgeiz und nicht zu vergessen Freundlichkeit und gegenseitige Hilfe.

Ein Spaß noch, ein Bürger unserer Gemeinde, in der ich mich wohl fühle und gute Freunde habe, schenkte mir eine Tasse mit der Aufschrift:
    Horst der Begnadete!
    Er hat Talent in allen Ecken
    Und brauch auch sonst nichts zu verstecken
    Gott hat’s ihm eben mitgegeben,
    Was für ein wundervolles Leben.

 
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