31.03.2013   

Der älteste Bauer in Altranft - Georg Lehmann

Autor: Karl - Heinz Schwoch, erzählt aus Erinnerungen von Georg Lehmann

Im ersten Band der Ortschronik ist unser Dorf als ein landwirtschaftlich geprägter Ort beschrieben. In diesem Beitrag soll ein kleiner Überblick aus der Sicht eines Landwirtes geschaffen werden.
Neben dem Rittergut Altranft gab es 18 Bauernwirtschaften und 3 Kleinbauern. Etwa um1935/36 bestanden noch 15 Bauernwirtschaften, die überwiegend als Mittelbauern einzustufen waren. Jede Wirtschaft hatte eine Ackerfläche von etwa 15 Hektar. Einige Bauern hatten Ackerflächen zu gepachtet.
Die Bodenstruktur war zweigeteilt.
Es gab den Oderbruchboden und die sogenannte ‚Höhe‘ am Auslauf der Barnimer Berge. Hier waren überwiegend lehmige bis sandige Äcker vorhanden.
Die unterschiedliche Bodenklasse war mit ausschlaggebend für einen guten Ernteertrag und beeinflusste stark die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Betriebe.
Kein Bauer in Altranft besaß Wald. Fast der gesamte Wald um Altranft gehörte zum Gut.Der Gutsherr hatte in Altranft das Monopol über erforderliches Bauholz und Brennholz.
Die meisten Wirtschaften lagen in der Dorfmitte, um den Dorfanger.
Die erste Wirtschaft, vom Schlosszaun beginnend, war Hermann Paetzholds, gefolgt von Erich Lehmann, Wirtschaft Willi Wurl, Wirtschaft Ewald, Wirtschaft Limbert, Wirtschaft Georg Lehmann, Wirtschaft Nickel, Wirtschaft Schmidt am Mühlenberg. Gegenüber, des Dorfplatzes befinden sich die Wirtschaft Forke, Wirtschaft Schmidt, Wirtschaft Paul Paetzholds, Wirtschaft Mielenz. In der Heerstraße gab es die Wirtschaft Willi Lehmann, Wirtschaft Berg Schmidt, in der Schneiderstrasse Wirtschaft und Schmied Emil Zernikow und Paul Quasdorf. Die Wirtschaft Kleemann befand sich in der Sonnenburgerstrasse, außerhalb des Dorfes, in Richtung alte Oder, die Bauernwirtschaften Schulz und Siebert. Einige Kleinbauern, die nicht ausschließlich von der Wirtschaft lebten, waren Paul Quasdorf, Wirtschaft Adam, Wirtschaft Ferdinand Sempf.
Einige Bauernwirtschaften östen sich als selbständige Betriebe auf. Es gab dafür unterschiedliche Ursachen. So sind Eheschließung und Mitnahme von Erbanteil, wie Ackerland, mangelnde Wirtschaftlichkeit, Verpachtung, Pleiten, keine Erben, aus Altergründen, zu nennen.

An Hand von Georg Lehmann, heute der älteste gelernte Landwirt und Bauer unserer Gemeinde, versuche ich das Bauernleben, natürlich nur einen kleinen Teil, mit seinen vielen Fassetten zu beschreiben.
Georg Lehmann war in der elterlichen Bauernwirtschaft 1924 geboren und aufgewachsen. Der Hof hatte eine Größe von 16,5 ha. Zupachtungen gab es auch.
Er ist heute der einzige noch lebende Bauer, der die bäuerliche Arbeit vor dem Krieg als Kind, während des 2. Weltkrieges als Soldat und den Neuanfang nach dem Krieg mitgestaltete.
Er war Einzelkind.
Bereits als Kind half Georg Lehmann auf dem Hof; keine größeren Tätigkeiten, sondern nur was für einen Jungen machbar war.
In Altranft besuchte er die Grundschule und ging mit 10 Jahren zur Mittelschule nach Bad Freienwalde. Mit 18 Jahren wurde er 1942 Soldat. Er überlebte den Krieg und die Gefangenschaft in der Sowjetunion körperlich einigermaßen unbeschadet. 1948 kam er aus der Gefangenschaft zurück und arbeitet auf den elterlichen Hof.
Während des Krieges produzierten die Bauern im wesentlichen Grundnahrungsmittel sowie Produkte, die für die Tierhaltung notwendig waren. Sie waren sogenannte Selbstversorger. Zuckerrüben und Gemüse wurden von den Bauern nicht angebaut. Diese Feldfrüchte waren für die Bauern zu arbeitsintensiv.
Während des Krieges verkauften die Bauern ihre Produkte an die Raiffeisengenossenschaft, der Landesgenossenschaft Kurmark. Ein geringer Teil wurde frei verkauft, sogenannter Hofverkauf.
Die Bauern hatten aus den Dorfbewohnern stets einige Helfer, meistens waren es Frauen, oft waren es jahrelang die gleichen Frauen. In den Kriegsjahren wurden jedoch Helfer in der Erntezeit knapp, das war der Kriegswirtschaft geschuldet.
Mit Maschinen und technischen Geräten waren die meisten Bauern ausgestattet. Drillmaschinen, Dreschmaschinen und diverse Ackergeräte, wie Pflüge, Eggen u.a. waren vorhanden.
Selten, auf Nachfrage, wurden spezielle Geräte ausgeliehen. Es gab also auch eine gewisse gegenseitige Hilfe.
Die Erntezeit, Getreideernte und Kartoffelernte, war für jeden Bauer die Hochzeit in ihrem Wirken. Viele zusätzliche Helfer wurden gebaucht.
Alle Bauern hatten Pferde, Rinder Schweine und Federvieh. Die Pferdehaltung war ein Muss, um überhaupt in der damaligen Zeit, eine Landwirtschaft zu betreiben. Man bedenke, dass der Pferdewagen das zentrale Transportmittel war. Rinder und Schweine sowie Hühner, Enten, Gänse, gelegentlich 1-2 Schafe dienten der Selbstversorgung. Gab es einen Überschuss so wurden diese Produkte verkauft.
Die Wirtschaftlichkeit der Bauerwirtschaften war unterschiedlich. Wirtschaften mit genügend eigenen Arbeitskräften standen etwas besser da. Oft waren lange Anfahrtszeiten zu den Äckern nötig, was sich auf das Einbringen der Ernte auswirkte.

Im Herbst 1945 wurde unter primitivsten Bedingungen eine Herbstbestellung der Felder von allen Bauern vorgenommen. Es ist heute nicht mehr nach zu vollziehen, wie das gelungen ist. Die Felder des Gutes war verweist.
Die Bodenreform, unter sowjetischer Vorherrschaft, wurde durchgeführt. Landarbeiter, Landarmebauern übernahmen eine ca. 5 ha Ackerfläche und bauten sich eine Existenz auf. Der Gutswald wurde auch auf die Neusiedler und kleineren Bauerwirtschaften aufgeteilt. 1 ha Wald bekam jeder Neusiedler und Kleinbauer.
Große Sorgen bereiteten die Beschaffung von Pferden, Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen und die gesamte Palette des Federviehs.
Auch wie diese zentralen Probleme gelöst wurde ist heute kaum noch zu ergründen. Es gibt keinen Zeitzeugen der hier aufklären könnte.
Die alten wie auch die neuen bäuerlichen Betriebe wurden zur Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung mit Abgabeauflagen in allen erdenklichen Feldfrüchten und Tierprodukten, dem sogenannten “ Soll“, belegt. Mit dieser Sollbeauflagung kamen die meisten alten Bauernwirtschaften nur schwer zurecht. Besonders machte sich das in der Viehhaltung bemerkbar. Entsprechend der Hektarzahl wussten größere Tierbestände gehalten werden. Es gab aber dafür nicht die erforderliche Stallung, noch war das arbeitskräftemäßig möglich. Der zusätzliche Futterbedarf musste auch berücksichtigt werden.
Ab den 50-ziger Jahren machte sich bei den Bauern ein großer Unmut breit. Das Abgabesoll wurde immer seltener erreicht.
Bestimmte Ersatzlieferungen innerhalb der Produktpalette waren möglich, führten aber selten zu nachhaltiger Befriedigung. Fatal war, wer das Abgabesoll, zum Beispiel in Fleisch, nicht erfüllte, bekam keine Schlachtgenehmigung. Eine Folge war, dass zu diesen Bauern keine Arbeitskräfte kamen. Die Arbeitskräfte, die es zur damaligen Zeit reichlich gab, gingen nur zu den Bauern, die eine gute tägliche Ernährung garantierten.
Die Bauern waren verzweifelt. Sie hatten zur damaligen Zeit 3 Möglichkeiten.
Das vorgeschriebene Soll pflichtgemäß abzuliefern, die Wirtschaft und damit ihre Existenz aufzugeben oder der DDR den Rücken zu kehren und in den „Westen“ zu gehen. ( in den Westen gehen bedeutete, die DDR illegal nach Westdeutschland zu verlassen.)
Aus unserer Gemeinde haben eigentlich nur 2 Bauernwirtschaften wegen Flucht in den Westen aufgegeben. Ein Extremfall war der von Bauer Berthold Limber. Er konnte als alleinwirtschaftender Bauer seine Sollauflagen nicht erfüllen. Er wurde wegen Sabotage 1952 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. In der kritischen Zeit um den 17. Juni 1953 wurde er wieder auf freiem Fuß gesetzt. Er ließ seinen Hof im Stich und ging in den Westen.
Zurückdenkend war diese Zeit sehr schwierig. Ende 1952, Anfang 1953 wurde in Altranft die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft gebildet. Zögerlich traten die Neusiedler dieser Genossenschaft bei. In den darauf folgenden Jahren zeigte sich, dass diese Art, Landwirtschaft zu betreiben,besser war. Die Versorgung und auch die Bodenbearbeitung wurden immer besser. Das gemeinsame Wirtschaften machte die schwere Arbeit erträglicher.
In den Anfangsjahren war die Genossenschaft alles andere als ein wirtschaftlich stabiler Betrieb. Einen wesentlichen Anschub erhielt die Landwirtschaft durch die Gründung der Maschinen - Ausleihstation (MAS) und später durch die Maschinen - Traktoren – Station (MTS).
Die Technik hielt in der Landwirtschaft Einzug. Eine weitgehendste maschinelle Feldbearbeitung und Ernte waren gegeben.
In den Jahren 1956 bis 1958 waren fast alle Neusiedler und die meisten „alten Bauern“ der Genossenschaft beigetreten. Georg Lehmann, er hatte den Hof vom Vater übernommen, trat ebenfalls in die Genossenschaft ein. Er qualifizierte sich an der landwirtschaftlichen Fachschule. Georg Lehmann brachte sich mit seinem Wissen und Können ein. Er war ein geachteter kritischer, anerkannter Genossenschaftler.
1960 war Altranft ein vollgenossenschaftliches Dorf.

 
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