31.12.2013   

Das späte Klassentreffen

Autor: Karl - Heinz Schwoch

Sechs, in die Jahre gekommene Sportfreunde und ehemalige Klassenkameraden, treffen sich bei der Jahreshauptversammlung ihres Handballklubs. Sie werden im kommenden Jahr 65 Jahre. Einige von den Freunden spielen sogar noch in der Altenherrenmannschaft. Sie tauschen sich über Vergangenes und Gegenwärtiges aus. So reifte der Entschluss sich im kommenden Jahr zu einem Klassentreffen im Sportlerheim, ihr erstes, sie wählten den Sommermonat August dafür.
Der Handballklub hat auch drei Frauenmannschaften. Im August sind Ferien und der Sportklub hat einen regen Zulauf auch in besonderem von den Mitgliedern der Frauenmannschaften.
Große und kleine Trainingsspiele finden statt. Es gibt immer viel zu sehen. Die Frauen in ihrer engen Kluft, was für ein Bild.
Der Tag des Treffens war gekommen. Sie hatten sich einen Tisch am Fenster, mit Blick auf das Spielfeld, ausgewählt. Es wurde zünftig gegessen, getrunken und es war große Heiterkeit angesagt. Erst gegen 20 Uhr war die Party zu ende. Sie beschlossen das zum 70. Geburtstag, also in 5 Jahren, zu wiederholen.

Wieder war der Zeitpunkt gekommen. Hartmut, der ehemalige Lehrer, war schon im Sportlerheim und hat wie zuvor schon alles vorbereitet. Er war ja schon immer der Spielmacher. Nun trudelten die anderen fünf ein. Es war kein erbauliches, sportliches, Bild. Der ehemaige Busfahrer, Klaus, hatte den Fahrdienst organisiert. Er kam inzwischen mit 2 Gehhilfen daher. Die anderen zwei wurden vom Sohn des ehemaligen Zollangestellten, Ludwig, mit dem PKW gebracht. Es dauerte etwas länger, denn der Rollstuhl für Ludwig musste erst fahrbereit gemacht werden. Hansi, er war Sparkassenmitarbeiter, stand hinter seinem Rolli und wartete auf den Hinweis wo es lang geht. Er hatte eine dunkle Brille auf und man merkte, dass er seine Umgebung kaum noch sieht. Friedl, ehemaliger Hausmeister des Gymnasiums und Winnie, Frührentner, brachten die Ehefrauen der beiden, mit dem Hinweis, dass sie in 2 Stunden kommen und dann gehts nach Hause.
Alle waren versammelt.
Jeder bestellte sein Essen und eine Kleinigkeit zu trinken. Für den Kellner war die Getränkebestellung nicht so einfach festzustellen. Der eine hatte stenges Alkoholverbot, ein anderer musste auf seine Prostaata achten, wiederum hatten zwei die Pillen noch einzunehmen und das mit einem Wasser. Man könnte fast schmunzeln über die Betonung Prostaata, ist es aber leider für die Männer ein so schwieriges und oft auch schmerzhaftes Organ.
Ein Fensterplatz war eigentlich auch nicht mehr notwendig. Die Frauenmannschaften spielten zwar, aber keinen interessierte es sonderlich. Sie kannten keine Spielerinnen mehr und auch die jungen Frauen kannten keinen der alten Herren.
Der Wirt legte eine Kassette mit Spielen der damaligen Frauenmannschaften ein. Es kam nochmal Leben in die Gesichter der alten Sportler. Alte Erinnerungen kamen hoch und bei einem und dem anderen sah man eine kleine Träne rollen.
Schnell waren die festgelegten 2 Stunden um. Der nächste Treff in 5 Jahren wurde festgelegt und jeder versprach zu kommen. Die Frauen waren pünktlich, wussten sie doch die Probleme ihrer Männer.

So sah es zum 75. aus.
Wie immer hatte Lehrer Hartmut alles vorbereitet. Er war immer noch agil und sah sich stets in der Pflicht. Alle waren auch dankbar und sie sagten es ihm auch. Er war an lobende Worte und an Achtung gewöhnt. Es hatte sich bei den ehemaligen Sportlern und Freunden herumgesprochen, dass Friedl der ehemalige Hausmeister an seinem Krebsleiden gestorben war. Winnie kann auch nicht mehr kommen. Sein Lungenleiden hat sich verschlechtert. So waren sie nur noch zu viert. Wieder waren ihnen 2 Stunden vorgegeben. Der Wirt machte kein großes Geschäft mit seinen betagten Gästen. Die Unterhaltung verlief schleppend. Kein Wort mehr über den einst so geleibten Sport, keine Erinnerungen an die Frauenmannschaften, die sie früher so aufregten.
Gelobt wurde der barrierefreie Zugang zum Sportlerheim. Ludwig konnte mit seinem Rollstuhl bis an den Tisch, Hansi hatte einen Platz für seinen Rolli neben sich und der Klaus bewunderte die Hakens, wie er sagte, für das Festklemmen seiner Gehhilfen. Diese hochtechnischen Errungenschaften, ihrer HIlfsmittel und wie sie damit umgehen können füllte die Gesprächsrunde am Tisch fast aus.
Es stimmte nicht ganz. Umfassend wurden über die Medikamenteneinnahme gesprochen. Wer nimmt welche Tabletten, wie viel und wofür oder wogegen. Auch gaben sie sich Ratschläge aus ihrer eigenen Erfahrung im Umgang mit ihrer fehlenden Gesundheit. Zum Thema Essen winkten sie ab. Das ist auch besser so, es wäre ein unendliches Gespräch geworden.
Wie immer versprachen sie sich in 5 Jahren wieder zusammen zu treffen. So wären sie alle 80 Jahre geworden.

Dieses Treffen war wie im richtigen Leben. Klaus der Busfahrer war nicht mehr gehfähig. Die Gehhilfen halfen auch nicht mehr. Ludwig der Zöllner, wie er immer genannt wurde, war in einem Heim untergebracht. Der Lehrer Hartmut fragte Hansi den Sparkassenmann, wo machen wir diesmal unser Treffen? Hansi schlug das Sportlerheim vor.
Prima, sagte Hartmut, da waren wir noch nie.
Der Lehrer Hartmut schaute ins Leere und sagte, ich war gestern zum Klassentreffen aber es war keiner da.
Da hakte ihn seine Frau unter und sagte, komm wir gehen jetzt nach Hause.

 
Zurück zur Übersicht...